Die Hausbibel des Seidenstickers

Hans Plock (1490-1570)

Wege der Erschließung

Hans Plock UND Seine Bibel

 

Mit der Hausbibel des Seidenstickers Hans Plock, der zweibändigen, bei Hans Lufft in Wittenberg gedruckten Bibelausgabe Luthers von 1541, verfügt das Stadtmuseum Berlin (Inventarnummer XIII 387) über ein einzigartiges Zeugnis der Reformationszeit.

 

Hans Plock wurde um 1490 in Mainz geboren, wo er vermutlich auch eine Seiden- und Perlenstickerlehre absolvierte. Zwischen 1509 und 1512 verbrachte er seine Gesellenzeit in Trier, wo er (so notierte er es in seiner Lutherbibel) die Erhebung des Heiligen Rocks anlässlich des Reichstages im Jahr 1512 erlebte. Seine Kunstfertigkeit als Seidensticker erbrachte ihm eine Anstellung am Hof Albrechts von Brandenburg (1490-1545), dessen Gefolgschaft er für viele Jahre angehörte. In diese Zeit fällt auch seine anhaltende Freundschaft mit Matthias Grünewald. Im Jahr 1521 ging Plock mit Albrecht nach Halle/Saale und fertigte für Kardinal Albrecht und dessen Hallesches Heiltum prachtvolle perlenbesetzte Ornate und figurative Reliquiare, darunter auch Bildstickereien für den berühmt gewordenen, später so genannten „Hassenstein-Lobkowitz‘schen Perlenaltar“ an. Plocks Tätigkeit für Albrecht von Brandenburg lässt sich sicher bis 1532 nachweisen, hierzu gehörten auch Pilgerfahrten und Dienstreisen, um etwa Edelsteine und Perlen in Antwerpen zu kaufen. Danach brach die Beziehung zu Albrecht von Brandenburg ab, Plock ging nicht mit ihm im Jahr 1541 nach Mainz, sondern blieb in der Saalestadt, deren Bürger er bereits 1525 geworden war. In dieser Zeit wendet sich Plock auch intensiv der lutherischen Lehre zu, zu deren glühendem Verfechter er wird. Bemerkenswert ist, dass Plock neben reformatorischem Flugschrifttum auch im Besitz einer vorlutherischen Bibelübersetzung aus dem Jahr 1478 war (heute Marienbibliothek/Halle).

 

Noch 1541 erwarb Hans Plock seine zweibändige Lutherbibel, eine Prachtausgabe, die ihn dann fast dreißig Jahre begleitete. Dabei hinterließ Plock in ganz persönlicher Auseinandersetzung mit den geistigen und geistlichen Umbrüchen seiner Zeit zahllose Annotationen, Marginalien, Text- und Bildzusätze sowie koloriertes Material. Aufmerksamkeit wurde der Plock-Bibel bislang vor allem wegen ihren Einklebungen zeitgenössischer Zeichnungen, Kupferstiche und Illustrationen zuteil, unter denen sich neben Werken von Schongauer, Dürer und Cranach auch vier Zeichnungen des bedeutenden Malers und Zeichners Matthias Grünewald befinden.

 

Der weitaus umfassendere historische Wert der Lutherbibel liegt insbesondere in Plocks handschriftlichen Annotationen, (kritischen) Kommentaren und tagebuchartigen Erinnerungen, mit denen sich ein einzigartig authentisches Zeitzeugnis erhalten hat, das Einblick in das Leben von Plock, seine laientheologischen Bestrebungen sowie den politischen, religiösen und künstlerischen Kontext seiner Zeit gibt.

 

Die zweibändige Lutherbibel aus dem Jahr 1541 umfasst rund 1600 Seiten, wovon ca. die Hälfte handschriftlich von Plock annotiert wurde. Von diesen rund 800 annotierten Seiten wurden 23 ganzseitig (auf leeren Blättern) beschrieben. Diese Zufügungen Hans Plocks, mit denen er einem planvollen Gesamtkonzept folgte, sind bislang nur punktuell ausgewertet worden. Die zum Teil schwer lesbaren Marginalien sind bislang weder linguistisch erschlossen noch zusammenhängend ausgewertet worden. Zurzeit werden sie in einem gemeinsamen Vorhaben mit dem Stadtmuseum Berlin (Albrecht Henkys) an der Universität Trier / Trier Center for Digital Humanities (TCDH) in einer ersten Sichtung für eine multimodale, digitale Edition von Carolin Geib und Claudine Moulin (FB II Germanistik / TCDH) erfasst und für weitere Analyseschritte, insbesondere im kultur- und sprachgeschichtlichen Kontext, vorbereitet.